Von der „Beschäftigungstherapie“ zu Tagesstruktur, Beschäftigung und Arbeit

Was früher einmal Beschäftigungstherapie genannt wurde, wird heute als Tagesstruktur bezeichnet, was den Intentionen, den Möglichkeiten und auch den tatsächlichen Angeboten in diesem Bereich weitaus mehr entspricht. Immer wieder weisen wir darauf hin, dass in Einrichtungen, wie es die Tagesstätten von Rainman’s Home sind, Menschen nicht vom ersten Arbeitsmarkt ferngehalten werden und ihnen somit auch keine Chancen und Möglichkeiten genommen werden. Ganz im Gegenteil!

Jenen, die den oft rigorosen Anforderungen des Arbeitslebens nicht standhalten können, eröffnen wir Möglichkeiten zu einem lebenswerten Leben, zu sinnerfüllten Tätigkeiten und so wirken wir der drohenden vollkommenen Isolation und dem gesellschaftlichen Rückzug entgegen. Das gilt nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern in besonderer Weise auch für deren gesamte Familie. Die von uns entwickelte Angebotsvielfalt bietet eine bunte Palette an Förderungen und Beschäftigungen, wodurch die Aspekte der Individualisierung und Differenzierung erst beachtet werden können.

Die Arbeitssituationen des ersten Arbeitsmarktes wollen wir bewusst nicht abbilden oder imitieren. Es gibt zum Beispiel keine Lohnarbeiten und keine druckvollen Terminaufgaben. Bei den Angeboten der Tagesstruktur spricht man von Maßnahmen nach §9 CGW (Chancengleichheitsgesetz). „Derartige Maßnahmen sind für Menschen gedacht, die auf Grund nicht altersbedingter körperlicher, intellektueller oder psychischer Beeinträchtigungen oder auf Grund von Sinnesbeeinträchtigungen in ihrer Entwicklung oder in wichtigen Lebensbereichen, insbesondere bei der Berufsausbildung, der Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dauernd wesentlich benachteiligt sind“ (FSW Koordinationsstelle). Wenn auch nicht in „Leichter Sprache“ verfasst, so macht diese Definition doch deutlich, das Angebot gilt für Menschen, die dem Leistungsdruck des freien Arbeitsmarktes nicht standhalten können.

Wir rücken vor allem die Bedarfe von Menschen in den Mittelpunkt, die dem Autismus-Spektrum zuzurechnen oder in ihren speziellen Ansprüchen vergleichbar sind. Unsere Angebote sind eine Ergänzung im Bereich Beschäftigung und Arbeit und geben jenen Chancen, die sonst keine Möglichkeiten vorfinden. Daher haben wir ein sehr komplexes, breit gefächertes Konzept entwickelt, das in den Tagesstätten differenziert umgesetzt wird.

Kunst als Ausdrucksform
Vor allem das künstlerische Gestalten stellt einen Schwerpunkt der Tätigkeiten dar. Umfangreiche zusätzliche Beschäftigungen und Förderungen erweitern das Angebot. Niemals handelt es sich um monotone und überfordernde Aufgaben. Schrittweise und nach Möglichkeiten der Betreuten und auch der Betreuerinnen entwickeln wir die Strukturen. An zwei Standorten sind eigene Künstlergruppen tätig. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind vor allem bei der Hofvernissage zu bewundern, die heuer am 20. Juni von 17.00 bis 21.00 Uhr in der Teschnergasse 11 in 1180 Währing stattfindet. Das ist auch als Tag der offenen Tür zu verstehen.

Um qualitätsvolle Werke schaffen zu können, suchen wir die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen oder forcieren die besonderen Fähigkeiten von Mitarbeiterinnen auf diesem Gebiet. Auch Museumsbesuche mit dazugehörigem Workshop werden organisiert und die teilnehmenden Rainpeople zeichnen sich dann durch das bereits im Vorfeld vermittelte Wissen aus. So zum Beispiel war beim Besuch im Kunsthistorischen Museum Arcimboldo mit seinen Bildern der Jahreszeiten ein Schwerpunkt: Aus Pflanzen(teilen) zusammengesetzt zeigt sich ein Portrait des Sommers, obwohl an keiner Stelle die Oberfläche eines natürlichen Gesichts dargestellt wird. obwohl an keiner Stelle die Oberfläche eines natürlichen Gesichts dargestellt wird. Dies war Ausgangspunkt und Anregung für weiterführende Auseinandersetzungen mit dem Thema in unserer Tagesstätte.

Verknüpfung von Theorie und Praxis
Die Basis unseres Handelns ist das von Diestelberger und Zöttl entwickelte Konzept „Strukturiertes Lehren und Lernen“. Der wissenschaftliche Austausch ist uns wichtig. Daher stehen wir in Kontakt mit ausgewiesenen nationalen und internationalen Fachleuten. Wir besuchen Veranstaltungen und organisieren auch selbst welche. Am 8. November veranstalten wir das 8. Autismusforum mit dem Titel „Soziale Teilhabe – ein Leben lang“. Das genaue Programm ist derzeit in Ausarbeitung. Schon jetzt können wir sagen, es werden „hochkarätige“ Expertinnen zu uns sprechen. Weitere Details werden rechtzeitig bekanntgegeben.

Teil der Gesellschaft sein
ist ein bewusstes Ziel und damit ein Beitrag zur gelebten Inklusion. Besuche in Museen, Kinovorführungen, Lesungen, Musikangebote und dergleichen stehen auch unter diesem Aspekt. Die Zusammenarbeit mit der Musik-Uni, der Universität für angewandte Kunst und die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen zeigen nachhaltige Wirkungen. Auch der traditionelle gemeinsame Ausflug zum Neusiedler See ist ein selbstbewusstes Zeichen nach außen, wirkt aber auch als bindendes Glied untereinander: Klientinnen aller Tagesstätten, Betreuerinnen und Eltern lernen einander näher kennen.

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