Autismus ist vor allem durch eine andere Art der Wahrnehmung gekennzeichnet. Das führt dazu, dass die Eltern eines autistischen Kindes Schritt für Schritt einsehen müssen, dass die Entwicklung ihres Kindes anders verläuft als in den allgemein definierten Entwicklungsstufen dargelegt. Das setzt wiederum voraus, dass die Eltern auf die Modelle der Entwicklungspsychologie bewusst achten und vergleichen. Schwer zu verstehen ist, dass die erfolgversprechendste Förderung nicht jene ist, die es sich zum Ziel macht, das autistische Kind so rasch wie möglich „normal“ zu machen. Ein autistisches Kind muss erst als solches erkannt und dann in all seinem Sein angenommen werden. Die ersten Schritte zu einer Förderung sind jene der direkten Bezugspersonen hinein in die Welt des Autismus. Man muss Autismus verstehen lernen. Erkennbare „Eigenheiten“ des autistischen Kindes sind im Sinne der Stärkenperspektive zu interpretieren und als Chance und Brücke zu sehen, mit dem Kind in Kontakt zu treten.
Für Eltern ist das ein schmerzhafter Prozess, bedeutet es doch, zugeben zu müssen, dass die Entwicklung des eigenen Kindes, das so normal und gesund am Beginn seines Lebens erschien, anders verläuft als erwartet und erwünscht. Daher erscheint es menschlich, wenn Eltern sich anfangs wünschen, keine Besonderheiten und Abweichungen sehen zu müssen. Von Beginn an kann ihnen eine liebvolle Begleitung helfen, die Dinge zu sehen wie sie sind. Früherkennung bedeutet auch, früh zugeben zu müssen, dass das Leben des Kindes ein spezielles sein wird und damit auch das Leben der Eltern und auch das der Geschwister, wenn es welche gibt, beeinflusst. Die Früherkennung eröffnet allerdings auch eine ganz besondere Chance: die Frühförderung! Je rascher diese Förderung ansetzt, umso effektiver kann sie gestaltet werden. Dazu kommt noch ein ganz besonderer Aspekt: Nicht Kindergarten oder Schule geben die Ziele vor. Das erste Ziel heißt demnach nicht, das Kind so zu machen wie andere Kinder sind, sondern zu verstehen, warum es ist wie es ist und über die enge Beziehung und Liebe neue Chancen zu eröffnen. Nützen Sie diese Zeit, es kann die glücklichste werden!
Was konkret Frühförderung sein kann, ist gar nicht eindeutig zu definieren. Mit unablässigem Leistungsdruck und „Gewalt“ lässt sich – so muss ich nach meinen lebensumspannenden Erfahrungen und Beobachtungen sagen – keine nachhaltige Besserung erzielen. Eine scheinbar schwer zu verstehende Voraussetzung ist, sich von Beginn an von klar definierten Erziehungszielen zu lösen. Erziehung soll, da kann man leicht zustimmen, das Bestmöglich für ein Kind erreichen. Aber es ist nicht immer klar, was überhaupt gut ist.
Wer sich vornimmt, ein autistisches Kind so zu fördern, dass es durch permanente direkte Führung und Leitung zu einem nichtautistischen Kind wird, muss scheitern. Es ist nur eine indirekte Änderung nachhaltig zu erreichen, über die Basis der Liebe und Zuneigung. Ein Kind annehmen, seine Eigenart akzeptieren und jene Wege bewusst beschreiten, die sich dem Kind eröffnen, das ist der erfolgversprechendste Ansatz: Den Dingen und dem Kind Zeit geben und Entwicklungen, wo auch immer und wie auch immer forcieren. Als Motto mag gelten, alles, was hilft, ist gut. Eine rigorose Einschränkung auf eine einseitige starre verhaltenstherapeutische Auslegung erscheint fragwürdig. Es gilt, den Bezug zum Kind zu vertiefen und durch das Band der Liebe, Zuneigung und Wertschätzung zu stabilisieren.
Man sollte die Augen auf frühe Eigenheiten und Merkmale richten und ohne Panik die Dinge herankommen lassen. Ein autistisches Kind erscheint am Beginn seines Lebens zumeist sehr gesund und „ganz normal“ in seiner Entwicklung.
Frühe, beachtenswerte Merkmale:
- Mit etwa fünf Monaten beginnen Babys zu „babbeln“. Beantworten Sie die Laute des Kindes auf ähnliche Weise. Reagiert das Kind auf Sie? Kommuniziert es? Kommunikation (Kontaktanbahnung und Austausch) läuft nämlich schon sehr früh ab und lange bevor die ersten Worte erlernt werden.
- Augenkontakt beachten. Nimmt das Kind über die Augen gezielt und bewusst Kontakt auf? Beantwortet es Ihre Blicke?
- Aus dem Babbeln entwickeln sich differenziertere Laute. Ahmen Sie das Kind nach. Reagiert das Kind auf ähnliche Weise?
- Erkennt das Kind seinen Namen? Reagiert es darauf? Wenn nicht denken Sie an einen Hörtest und eine medizinische Untersuchung.
- Etwa im Alter von einem Jahr sollten die ersten Worte gesprochen werden.
- Zunehmend werden nun Wörter und Laute zu kleinen Dialogen gereiht.
- Verwendet das Kind häufig nur einen Teil eines Spiels oder einen Teil eines Spielzeugs als „Lieblingsstück“? Trägt es dieses Stück auffallend häufig mit sich?
- Achten Sie auf die Motorik (Bewegungen): Heftiges Hin- und Herschaukeln des Körpers, auch über einen längeren Zeitraum; Fächeln der Hände; Drehbewegungen
- Üben drehende Bewegungen eine starke Anziehung aus? Beobachtung der drehenden Waschmaschinentrommel; faszinieren die Räder eines Spielzeugautos; wird das Dreirad umgekippt und werden die Räder ständig gedreht?
- Übt Licht eine starke Anziehung aus? Lange andauerndes Aus- und Einschalten des Lichts; Taschenlampe; ständiges Öffnen der Kühlschranktür (Licht leuchtet!)
- Wie entwickelt sich die Sprache? Verwendet das Kind neue Worte?
- Zeigt das Kind jene Dinge her, die es besonders interessieren?
- Greift das Kind selbstständig nach Dingen oder ergreift es die Arme einer Bezugsperson und führt diese, damit die Person den Gegenstand für das Kind nimmt?
- Reagiert das Kind heftig auf Änderungen gewohnter Abläufe?
- Oft scheint die Entwicklung bis zu etwa 18 bis 24 Monate normal zu verlaufen. Dann aber treten zunehmend Probleme auf, vor allem bei der Ich-Findung.
Eltern können zu den wichtigsten Therapeuten werden, aber sie müssen sehr viel Wissen erwerben. Die Erziehung eines autistischen Kindes verläuft nicht von selbst und beiläufig.
Es gibt die Möglichkeit, Beratungstermine bei Rainman’s Home zu vereinbaren. Kosten für eine Einheit: 80 Euro
Rund um den 30. Lebensmonat kann eine Diagnose mit größerer Sicherheit gestellt werden. Den Angehörigen sowie den Kinder- und Fachärzten kommt bei der Früherkennung von Autismus große Verantwortung zu, da die Betroffenen so bald wie möglich gefördert werden sollten. Die Frühförderung ist besonders wichtig, es kommt allerdings darauf an, die entsprechenden Methoden anwenden zu können. Generell zeichnet sich dieser Förderansatz durch das „strukturierte Lehren und Lernen“ aus. Ansätze aus den Konzepten von TEACCH, ABA und PECS sind zusammenzuführen, aber unter dem besonderen Klima der Wertschätzung und Achtung behutsam umzusetzen.
Anton Diestelberger und Therese Zöttl haben einen Fragebogen entwickelt, der sich zur Erstellung einer so genannten „Verdachtsdiagnose“ eignet. Dieser Test orientiert sich an jenen Merkmalen, die für Autismus kennzeichnend sind und die im DSM-IV und ICD-10 als Diagnosekriterien angeführt sind. Der Test ist sehr knapp gehalten, er umfasst zwei Seiten und ist leicht durchzuführen. Er ist hier zum Ausfüllen und inkl Auswertungsschablone zu finden.
FRAGEBOGEN Verdachtsdiagnose zum Ausfüllen
FRAGEBOGEN mit Auswertungshilfe
In der frühen Kindheit fallen vor allem Merkmale auf, die früher als „Frühkindlicher Autismus“ diagnostiziert wurden. Seit dem Jahr 2013 wird im DSM 5 vom Autismus Spektrum gesprochen. „Mildere Formen“ von Autismus – oft auch als „Asperger-Syndrom“ bezeichnet – werden meist erst später auffällig. Dazu ist ein von Simon Baron-Cohen entwickelter Selbsttest im Internet zu finden.
Beachten Sie die Auflistung der speziellen Merkmale!
Den von Simon Baron-Cohen und seinen Kollegen am Cambridge Autism Research Centre entwickelten Selbsttest für Kinder und Erwachsene finden Sie HIER
Einen Artikel zum Thema „Eltern autistischer Kinder am Beginn eines langen Weges“ von Dr. Anton Diestelberger finden Sie HIER