Zu Gast bei Rainman´s Home – ein Interview

Herr Christian Maquart vom Redaktionsteam „Währinger Blattl“ hat Anfang 2023 mit Dr. Anton Diestelberger ein Interview geführt, weil Rainman’s Home in einem Beitrag vorgestellt werden sollte. In dem Artikel wird deutlich, dass Herr Maquart sehr viel richtig gesehen, gefühlt und wiedergegeben hat. Wir übernehmen hier seinen Bericht weitestgehend:

Zu Gast bei Rainman´s Home

An zwei Standorten in Währing betreut Rainman’s Home Menschen mit Autismus: Mensch sein unter Menschen ist das Ziel
Ich traf Dr. Anton Diestelberger bei der „Grünen Filmreihe“ im Café Schmid Hansl. An diesem Abend wurde der bewegende Film „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann“ von Regisseur Jerry Rothwell gezeigt. Das zugrunde liegende Buch und das Drehbuch schrieb der selbst von Autismus betroffene Naoki Higashida und eröffnete damit einen nahen Einblick in Wahrnehmung und Erleben von jungen autistischen Menschen.

Dr. Diestelberger ist Obmann von Rainman’s Home. Der Verein betreut und fördert fast 60 Menschen mit Autismus täglich. In unserem Bezirk gibt es zwei Tagesstätten. Rainman’s Home fühlt sich in Währing echt dazugehörig und gut eingebettet.

Gern kam ich seiner Einladung zu einem Besuch in der Semperstraße nach. Draußen fielen mir schon die damals weihnachtlich geschmückten und mit selbstangefertigten Kunstwerken bestückten Auslagen auf. Begrüßt wurde ich mit: „Sie kommen gerade rechtzeitig zur Musikstunde“. Den Klängen der Musizierenden lauschend, blickte ich mich in der zweistöckigen, liebevoll gestalteten Einrichtung um. Wichtige Prinzipien sind: Übersichtlichkeit, klare Strukturen, gleichbleibende Ordnung, immer wiederkehrende Tagesabläufe. Und Möglichkeiten zum Rückzug und zur Entspannung. Es ist diese Konstanz, die den Bedürfnissen von Menschen mit Autismus entgegenkommt; auch kleine Veränderungen bedeuten für sie in der Regel große Irritation.

Neben der Musikstunde, die das Gemeinschaftsgefühl und die gegenseitige Kontaktaufnahme unterstützt, gibt es weitere Tagesangebote wie Kochen, sportliche Aktivitäten, eine Haushalts- und eine Bastelgruppe. „Der Umgang mit Menschen mit Autismus erfordert eine hohe Kunst der Pädagogik“ erläutert der frühere Lehrer Dr. Diestelberger.

Autismus ist nicht heilbar. Es ist jedoch möglich, den Alltag so zu gestalten, dass das Leben der Betroffenen, und damit indirekt auch das ihrer Familien, weniger belastet ist. Um Unterstützung für genau so einen Alltag zu haben, initiierten betroffene Eltern 1991 eine Selbsthilfegruppe – und sehr bald war Rainman´s Home gegründet.

Verlässlichkeit, klare Strukturen, Lob und Anerkennung und die Stärkung des Selbstwertgefühls stehen von Anfang an im Mittelpunkt. Veränderungen werden mit einem zeitlichen Vorlauf und Achtsamkeit für jeden und jede Einzelne angekündigt, dann kann die Umsetzung gelingen. Gemeinsam werden neue Rituale entwickelt, um festgefahrene alte zu durchbrechen. Auch zeigt die Erfahrung, dass es gut ist, erprobte individuelle Stärken weiter zu stärken, um im Alltag hinderliche Schwächen besser zu meistern.

Abschließend verdeutlicht Dr. Diestelberger, dass Rainman´s Home nicht isoliert arbeitet, sondern sich gerne in die Nachbarschaft und den Bezirk integriert. Die Anknüpfungspunkte sind und sollen auch in Zukunft vielschichtig sein. So freuen sie sich über regelmäßige BesucherInnen, die Freude haben, vorzulesen oder andere Aktivitäten zu betreuen, sogenannte Zeitspenden. Geldspenden oder Sachspenden, beispielsweise für die Künstlergruppe, zur Kommunikationsförderung oder für die Textil- und Druckwerkstatt, helfen sehr (www.rainman.at).

Für mich war der Besuch eine Bereicherung und bestätigte für mich: So verschieden wir auch alle sein mögen, können wir doch voneinander lernen und sind miteinander besser dran als jeder allein.

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