„Menschen mit Autismus – eine komplexe Herausforderung für alle“
Den Weltautismustag am 2. April nahmen wir zum Anlass für das 6. Autismusforum, das zum ersten Mal im Veranstaltungszentrum Catamaran des ÖGB stattfand. Vor allem die Bedürfnisse jener Autisten, die einen höheren Unterstützungsbedarf haben, sollten in den Mittelpunkt der Veranstaltung gerückt werden.
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am 1. April 2017 von 09.00 bis 16.30 Uhr
CATAMARAN Seminar- und Veranstaltungszentrum
1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1
Germain Weber:
Autismus: Von Wien in die Welt hinaus?
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Edith Brugger-Paggi: Möglichkeiten und Grenzen der Inklusion – ein Erfahrungsbericht
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Barbara Paggi: Inklusion von autistischen Kindern in Südtirol
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Therese Zöttl: Nicht im ersten Arbeitsmarkt – und
dennoch gefordert
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Programminformation 6. Autismusforum 2017 (Download als PDF) und Abstracts (Download als PDF)
Der Forschungsverein Rainman’s Home und Rainman’s Home, Tagesstätten für Menschen mit Autismus, veranstalteten am 1. April 2017 das 6. Autismusforum im Catamaran, Wien. Wenngleich Autismus den meisten Menschen nicht mehr gänzlich unbekannt ist, bleiben autistische Menschen vielen doch fremd. Dem sollte diese Veranstaltung entgegenwirken.
Die Veranstaltung ist interdisziplinär ausgerichtet und soll Menschen aus unterschiedlichen Positionen einander näher bringen. Man muss das Wesen des Autismus kennen lernen, um die Welt mit den Augen autistischer Menschen sehen zu können. Dadurch gelingt es, den Umgang mit ihnen so zu gestalten, dass das Leben für direkt und indirekt Betroffene erleichtert und verständnisvoller gestaltet wird.
Neben fachlich ausgezeichneten Referentinnen und Referenten freuen wir uns, Kurt Shalaby, vielen aus TV, von der Bühne oder Veranstaltungen bekannt, als Moderator für das 6. Autismusforum gewonnen zu haben. Er hat bereits im letzten Jahr gemeinsam mit Menschen der Tagesstätten von Rainman‘s Home ein Sprech– und Theaterprojekt umgesetzt, das zur Produktion einer eigenen CD führte, die Ende 2016 präsentiert wurde und auch beim Forum aufgelegt wird.
Führende Fachleute und Wissenschafter aus den Bereichen Medizin, Pädagogik und Psychologie beleuchten Autismus aus ihrer Warte. Zudem wird der Elternperspektive Raum gegeben. Aspekte der Inklusion rücken immer näher in den Mittelpunkt zeitgemäßer Pädagogik. Da liegt es nahe, auf die jahrzehntelangen Erfahrungen zu blicken, die damit in Italien gemacht wurden. Referentinnen aus Südtirol geben Einblicke dazu. Bedeutende Männer am Beginn der internationalen Autismusforschung haben österreichische Wurzeln (Hans Asperger, Leo Kanner). Heute spricht man vom Autismusspektrum. Die Grenzen sind fließend, Übergänge und Schnittstellen anderer Störungen und Seinsformen werden dargestellt. Oft entstehen irritierende Situationen, die häufig auf den nicht methodenkonformen Umgang zurück zu führen sind. Autistische Menschen nehmen anders wahr, dürften anders denken und reagieren mitunter auf Überforderung mit Verzweiflung und Aggression. Möglichkeiten zur Deeskalation sind lernbar, wenn man die Sichtweisen autistischer Menschen versteht. Johannes Rojahn, er stammt aus Wien, arbeitet aber seit 2001 als Professor an der Georg-Mason University/Fairfax und ist anerkannter Experte, wenn es um Aggressionen und die Bedeutung von selbstverletzendem Verhalten geht. Er spricht zur diesbezüglichen Problematik.
Empowerment, Stärkenperspektive und Individualisierung sind keine leeren Schlagworte, sie werden in den Konzepten von Rainman´s Home bewusst betont. Arbeit als Menschenrecht und als Teil der Menschenwürde bedeutet jedoch mehr als nur die Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt.
So vielfältig wie das Bild des Autismus ist diese Veranstaltung ausgerichtet und so wendet sie sich an ein vielschichtiges Publikum: Von WissenschafterInnen und pädagogischen Profis hin zu Eltern und persönlich Betroffenen. „Das Forum soll Brücken bauen zwischen Fachbereichen und so die Interdisziplinarität herausstreichen. Es soll dazu beitragen, dass jene, die in Österreich im Bereich Autismus engagiert sind, näher zusammenrücken – sowohl Profis, als auch Betroffene und Hilfesuchende. Das Forum soll ein hoffnungsvoller weiterer Schritt sein zu mehr Chancen, mehr Verständnis und zu lebenswerten Möglichkeiten“, betont Dr. Anton Diestelberger, Obmann des Forschungsvereins und der Tagesbetreuungsstätten Rainman’s Home, Vater eines Autisten.
Spezielle Programmpunkte
Auf zwei Besonderheiten des Forums soll noch hingewiesen werden: Bei der Eröffnung werden Menschen aus den Tagesstätten von Rainman’s Home einige kurze Beiträge zeigen, wie sie im Rahmen der Musik-Workshops von Frau Urzula Ghoshal bei Rainman’s Home umgesetzt werden. Es handelt sich dabei nicht um eigens für die Veranstaltung einstudierte Darbietungen, sondern um Beispiele aus der gelebten Praxis. Gezeigt wird, wie mit Hilfe der Musik und unter kundiger Leitung sich im ganzheitlichen Setting spezielle Aspekte fördern lassen. Zum Beispiel wird über die Musik Bewegung stimuliert und zur Nachahmung angeregt (Lernen durch Nachahmung, Lernen am Vorbild). Bei der Einheit mit Schellen und Glöckchen wird das Stoppen besonders beachtet und das Eingehen auf äußere Signale (Anfang und Ende finden). Tänze werden genützt um zu Improvisationen anzuregen und zu individuellen Umsetzungen zu kommen. Spannend wird sein, wie die Mitglieder der Tagesstätten auf die Veränderungen reagieren werden. Wir sind sicher, die schaffen das!
Ehrung
Zum ersten Mal wird „Rainman“, eine Statue, die in unseren Werkstätten entworfen und hergestellt wurde, für besondere Verdienste auf dem Gebiet Autismus verliehen. Univ.-Prof. Dr. Brigitte Rollett, die seit frühesten Jahren des Vereinsbestehens als Beirat uns zur Seite stand und als die Fachfrau der ersten Stunde in Österreich gesehen werden kann, wird auf diese Weise ausgezeichnet. Sehr bald schon wird ihr Buch „Autismus“ (Rollett/Kastner-Koller) in der vierten Auflage erscheinen.
Die Zahl der Betroffenen steigt
Die Zahl der autistischen Menschen ist weit größer als ursprünglich angenommen und wächst. Neuerdings geht man von einem Prozent der Kinder eines Geburtenjahrganges aus, die Merkmale zeigen, die dem Autismus-Spektrum zuzurechnen sind. Die Schätzungen ergeben somit eine Zahl von etwa 80.000 betroffenen Menschen in Österreich. Daher ist es notwendig, dass sich KindergärtnerInnen, LehrerInnen, BetreuerInnen und das medizinische Personal auf diese Herausforderung einstellen. Auch Eltern brauchen Anlaufstellen, um ihre Kinder bestmöglich fördern zu können.
Dr. Anton Diestelberger, Obmann von Rainman’s Home, kennt die Problematik aus unterschiedlichsten Warten: „Aus meiner beruflichen Erfahrung und aus der als Vater eines autistischen Sohnes weiß ich, dass Autisten in ganz besonderem Maße von jenen abhängig sind, die sie umgeben. Alles, was für autistische Menschen geradezu lebensnotwendig ist, hilft vielen anderen auch. Klare Strukturen und leicht verständliche Anweisungen schaffen Sicherheit“.
Interventionsvielfalt im Licht von Theorie und Praxis
Das 6. Autismusforum ist für ein breites Fachpublikum offen. Nicht nur jene werden sich angesprochen fühlen, die mit autistischen Menschen arbeiten, auch Angehörige, die an der Seite von Betroffenen oft zu Spezialisten werden. Ziel ist es, Praxis und Theorie bewusst zu verknüpfen. Denn, so Diestelberger: „Wir wissen auch heute noch nicht, wodurch Autismus verursacht wird, sollten uns aber vor Augen halten, dass es, wie Isabelle Rapin beim 2. Autismusforum in Wien sagte, so viele Formen von Autismus gibt, wie es Menschen mit Autismus gibt. Je mehr Möglichkeiten für den Bezugsaufbau wir entwickeln, umso erfolgreicher und zufriedenstellender kann die pädagogische Arbeit und das Zusammenleben verlaufen“.
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